HousePool® Ausgabe 06 - April/Mai 1996

Satire/Glosse


  

Satire über Vorurteile zum Techno

Begeben wir uns als Undergroundjournalistin in die Szene des Techno. Natürlich haben wir uns passend bunt gekleidet. Martina, meine Assistentin, trägt einen knappen neonpinken Girlie-Look und ich habe ein bauchfreies Oberteil an - für Männer der letzte Schrei. Was tut man nicht alles, um in die bunte Masse zu passen. Schon gleich haben wir am Club, wo wir von überall bewundernde Blicke auf uns ziehen, ein paar schreiende Raver gefunden, die uns fast anbetteln, uns über ihr Nachtleben zu erzählen. Ihnen hängen schon halbwegs die Augen aus den Höhlen, um erkennen zu lassen, wieviel an Drogenkonsum bei ihnen steht (zum Vergleich: denken sie an die Promillekontrolle). Beim Reden läßt sich gut die mangelnde Ausdrucksfähigkeit erkennen, sie schwärmen von Scooter und Dolls United, nach Aufforderung zeigen sie uns dann ihre speziellen "Designer-Drugs", die sie bei Abdul (alle Namen von der Redaktion geändert) "klar" gemacht haben. Abdul trägt einen langen Mantel, und wie im Supermarkt liegen die verschiedenen Marken in unterscheidlichen Regalen in den Innenseiten der Jacke. Hinter ihm stehen natürlich in der Schlange seine besten Käufer - die "durchgeknallten" Raver - liebevoll genannt. Katja (15 1/3 Jahre) zeigt uns unterdessen stolz ihr erstandenes "weißes Pulver", das ehrlich gesagt Mehl ähnelt, aber Hauptsache, es wirkt. Wir begleiten sie dann noch vor den Eingang des Clubs, eine düstere Spielunke, aus der ein dumpfes Klangbild tönt. Sie stehen vor dem muskulösen, braungebrannten Türsteher, ein richtiger Kampftrinker, und werden erstaunlicherweise nach ihrem Personalausweis gefragt. Sie zücken kühl, mit schweißigen Händen, ihre gefälschten Schülerausweise. Doch komisch, ausgerechnet heute haben sie Pech, sonst kommen sie überall rein, die Clubs reißen sich ja um sie. Und Karl sieht doch mit seinen 15 Jahren wirklich wie 30 aus, und Katja hat vorsichtshalber noch ein bißchen mehr Make-Up zugelegt, ein bißchen sollte man ja immer aussehen wie ein Clown, oder ? Aber was soll´s. Es gibt ja tausend andere Möglichkeiten für Jugendliche, im Hinterwalddorf, in ihrer Freizeit Dinge zu unternehmen, und es ist schließlich die Ausnahme, daß im Wald später die Leiche von Katja gefunden wird, die nach Hause trampen mußte, denn öffentliche Verkehrsmittel sind abends nicht mehr so bequem und befahren diese und die anderen Strecken daher überhaupt nicht mehr. 2 1/2 Stunden zu ihr nach Hause, aus andere Ende des Dorfes, wäre es normalerweise auch nicht sonderlich gefährlich gewesen, in 5-10 verschiedene Autos zu steigen. Karl hatte sich an diesem Abend dazu entschlossen nach Hause zu fahren, um dort mit seinen Stofftieren die Afterhour im Schlaf zu feiern. Und jetzt wenden wir uns wieder der Wetterkarte zu... (vio)

Zu dieser Satire möchte ich sagen, daß es Tatsache ist, daß Pillen, Pappen, usw. viel mit Techno zu tun haben, aber nicht das einzige sind, was diese "Art zu leben" ausmacht. Schließlich ist es auch Tatsache, daß, egal welche Musikrichtung es angeht, Drogen konsumiert werden. Leute, die Techno hören, sind also weder schlechter noch besser als andere, dennoch entstehen immer wieder Vorurteile - letztens habe ich noch mit so einem I***ten gesprochen, der meinte die Presse vera****en zu müssen und nur Scheiße erzählt hat, was Techno (House, Acid, usw.) angeht - wer sochen Leuten dann aber auch glaubt, der ist selbst dran Schuld, schließlich weiß jeder am besten darüber Bescheid, wann er am Wochenende feiern geht. Vielleicht einfach "nur" um einmal seine Sorgen zu vergessen und Spaß zu haben, Hauptsache Spaß haben ! Dennoch sind wir weder ungebildet noch blöd, weil wir das tun. Außerdem sollten sich Mal die Leute von ganz "oben" (Politiker) darüber Gedanken machen, warum so viele Techno mögen und nicht nacheinander Clubs schließen und somit auch ein Stück von uns nehmen (hört sich voll beschissen an, aber was soll´s). Hier in Wuppertal kann man zum größten Teil während der woche gar nichts machen, und den Nachbarn vom U-Club ist es Freitags zu laut, so daß wiedermal Probleme entstehen. Aber so oder so wird es laute Jugendliche immer geben, egal ob in Clubs oder auf der Straße - und was ist jetzt besser, hm ? Im Großen und Ganzen: Wir lassen uns garantiert nicht vom feiern abhalten, denn Techno, House (etc.) ist keine Eintagsfliege, was sich über Jahre schon gezeigt hat ! (Doch zur Zewit hat es Hochkonjunktur und das kann man auch nutzen.) (vio)


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